Vom Stäubchen das im Zimmer bleiben wollte

Hier möchte ich bleiben. Ich muss mich nur ein wenig verstecken, dann sieht mich keiner. Hoffentlich. Und ich werde nicht weggewischt. Davor habe ich dann doch ein wenig Angst. Ich bin einfach gerne hier.

Aufgewachsen bin ich im Wald. Wenn Du an einem sonnigen Tag gegen Abend oder am Morgen durch den Wald läufst, kannst Du manchmal meine Brüder und Schwestern sehen, die in den Sonnenstrahlen sanft tanzen. Eines Tages kam Lufthauch und blies uns in alle Richtungen auseinander. Plötzlich war ich ganz allein. Ich wollte zurück, doch der Lufthauch wurde zum Wind; er wirbelte mich immer tiefer in den Wald hinein. Ich war ganz allein – es wurde dunkler und dunkler.

Schuhu… Was ist das?! Wie ein Blitz fliegt plötzlich eine Eule an mir vorbei, der Luftzug ihrer Flügel wirbelte mich herum. Ich bin noch ganz erschrocken, als ich auf einmal ein Geräusch höre. Ein unheimliches Geräusch. Regen. Der beginnt niederzuprasseln. Ich bin verloren!

Für uns Stäubchen sind nur zwei Dinge wirklich schlimm: Wasser und verschluckt werden. Denn Wasser lässt uns zusammenkleben – und wir sterben. Manche sagen, wir verwandeln uns nur in etwas anderes. Trotzdem, ich will das nicht erleben.

Um mich herum beginnen die ersten Tropfen durch das dunkle Blätterdach zu fallen. Was soll ich nur tun? Was, wenn einer mich trifft? Was soll ich nur… Da entdecke ich einen zarten Lufthauch, der bereit ist mich mitzunehmen. Er trägt mich unter ein Blatt an dem ich mich festklammern kann und trocken bleibe. Glück gehabt. Aber unheimlich ist es trotzdem hier im dunklen Herzen des Waldes. Um mich herum rauscht der Regen und es wird kälter und kälter.Als der Regen aufhört, ist es Nacht. Überall sind eigenartige Laute und Geräusche. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich ganz allein in der Nacht. Irgendwo leuchten die Augen eines Tieres und ich höre ein Schmatzen. Ich zittere. Wenn ich nur endlich einschlafen könnte. Als ich plötzlich die Eule wieder auf mich zufliegen sehe, schnell und mächtig kommt sie. Direkt auf mich zu…

… Im letzten Moment dreht sie ab und rauscht direkt unter meinem Blatt vorbei. Der Luftzug ihrer Flügel ist so stark – ich kann mich nicht mehr halten. Ich werde mitgerissen, wirble umher; irgendwie gerate ich unter die Flügel der Eule. Und verfange mich in ihrem Gefieder. Hilfe! Ich will weg hier. Auf und nieder schlagen die Flügel. Ich komme einfach nicht los davon. Zum Glück hat sie mich nicht verschluckt. Ich bin sicher, das hatte sie vor… Warum komme ich nicht los von ihr? Weg. Weg! Weg!! Doch je mehr ich weg will, desto mehr hafte ich an der Eule fest.

Bis ich merke, dass ich mich auch einfach mittragen lassen kann. Sie tut mir nichts die Eule – und wahrscheinlich hat sie es nicht einmal auf mich abgesehen gehabt. Ich bin ja viel zu klein für sie – vielleicht hat sie es auf eine Maus abgesehen gehabt, die gerade unter dem Ast hindurch gehuscht ist… Besser, ich geniesse den einmaligen Flug. Wer von uns sass schon jemals auf einer ausgewachsenen Eule? Ich entspanne mich. Immer mehr.

Und wie ich mich so entspanne, merke ich zuerst gar nicht, dass ich wie von Zauberhand nicht mehr an der Eule klebe. Frei schwebe ich wieder durch den Nachthimmel. Aber? Wo bin ich? Ich schwebe über eine weite Wiese und dort hinten ist Licht. Ein Luftzug kommt auf und trägt mich auf das Lichtlein zu.

Langsam schwebe ich durch ein offenes Fenster hinein. Auf einem komischen Ding liegen Menschen. Sie machen eigenartige Geräusche. Sonst ist es schön still hier. Und warm. Leise lasse ich mich in einer Ritze nieder. Hier ist es schön. Hier möchte ich bleiben. Ich weiss, es ist gefährlich im Inneren von Häusern, denn hier werden wir manchmal weggewischt und ins Wasser getaucht. Aber es ist so friedlich hier, so entspannt. Wenn die Menschen kommen und wischen, drücke ich mich einfach ganz fest in meine Nische.

Am nächsten Morgen entdeckt tatsächlich niemand das kleine Stäubchen in seiner feinen Ritze an der Wand. Und so bleibt es im Zwirgi und geniesst die schöne, warme Stimmung. Wer weiss, wenn Du ganz genau hinsiehst, kannst Du es vielleicht sogar entdecken, das Stäubchen. Wenn ja, sag ihm guten Tag, es freut sich. Wenn Du magst, kannst Du auch ganz leicht blasen, damit es wieder zurück fliegen kann zu seinen Brüdern und Schwestern im Wald. Es wird viel zu erzählen haben…

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